Aus der Pfarrchronik Anfang 19. Jahrhundert - Teil 2

 

Blick in die Geschichte der Pfarrgemeinde und des Ortes - Teil 2

 

Die Inflation kündigte sich schon 1921 an

Die „Chronik der Expositur Miltach“ ist eine ergiebige Quelle für die Zeit vor 100 Jahren. Karl Holzgartner, Seelsorger in der Expositur Miltach, hat darin von 1916 bis 1924 in einer Art Tagebuch das Geschehen des Dorfes und seines Umlandes festgehalten und dies in teilweiser  drastischen Art, wobei er immer die entsprechenden Namen nannte.

 

Kirche Pfarrhof

Heute unvorstellbar! Oft schrieb er seine Aufzeichnungen in der „Ich-Form“. Die Beiträge beschäftigen sich mit den Veränderungen in der Mariahilf-Kapelle, Besitzerwechsel des Schlosses oder private Bautätigkeiten. Im folgenden Bericht geht es um die Zeitspanne von Oktober bis Dezember 1921.

 

2. Oktober 1921: Nachdem schon im Mai vom Generalvikar die Erlaubnis zur Bination (zweimaliges Halten der hl. Messe an einem Tag durch einen Priester) kam, gilt dies mit Beginn der Winterordnung künftig jeden Sonntag und Feiertag. Damit kann der Platzmangel in der viel zu kleinen Pfarrkirche teilweise abgemindert werden. Wegen der unsicheren Zeiten (Hauseinbrüche) ist den Expositurangehörigen nun der Wechsel im Gottesdienstbesuch möglich.

 

4. Oktober 1921: „Heute habe ich jenen Platz im Tiefentalerwald benediziert, wo L. Rucker, Bezirkstierarzt in Aichach einen Steinbruch eröffnen will“. Das Grundstück gehörte früher zur Mühle in Oberndorf. Der Platz ist etwa 200 Meter vom Anwesen Heinrich entfernt.

 

10. Oktober 1921: Heute wurde durch Notar Rösch in Kötzting die schenkungsweise Übertragung des Eigentumsrechts an der Mariahilf-Kapelle durch den Besitzer Josef Kyrein in Unterbiberg bei München an die Kirchenstiftung  Miltach notariell verbrieft. Kyrein besaß noch kurz vorher Schloss Miltach. Die Kirchenverwaltung war durch Kirchenpfleger Franz Heigl (Höhenried) vertreten.

 

Lebensmittelwoche: In der Zeit  vom 9. bis 17. Oktober wurde die Lebensmittelwoche durchgeführt. In den kleinen Bergdörfern sammelten Heigl aus Höhenried. Mesner Zistler und der Wirt Christl waren in Miltach unterwegs. In Flammried besorgte das Fuhrwerk der Landwirt Pongratz. In diesem Ort wurden zum Beispiel abgeliefert: Schmucker 32 Pfund Korn, Späth 100 Pfund, Wanninger 57 Pfund, Wenzl 44 Pfund, Pongratz 45 Pfund und Greil 47 Pfund Kartoffel. Im ganzen wurden bei der Sammlung gespendet: an Korn 8 ½ Zentner, Kartoffel 13 Zentner. Der größte Teil wurde in das Lagerhaus Kötzting für die Caritasstelle gebracht.

 

20. Oktober 1921: Das örtliche Wendelinfest wurde bei schönstem Wetter gefeiert. Die Beteiligung, auch von auswärts, war groß, aber nicht so groß wie voriges Jahr, als  die Viehseuche herrschte. Die Sammlung in der Kirche ergab 212 Mark. Als Festprediger fungierte Pater Becher von den Redemptoristen in Cham. Er predigte über den Glauben, seiner Notwendigkeit und Bestätigung desselben im Leben.

 

2. November 1921: Am vergangenen Samstag stellte Josef Hofmann seinen Stadel auf dem Zahberg (bei Flammried) auf, wo er nächstes Jahr sein Haus bauen will. Am Sonntag „weihte“ die Feuerwehr Oberndorf ihr neues Spritzenhaus beim Wirt ein. Am nächsten Samstag wird Brauereibesitzer Vogl seinen Dachstuhl aufsetzten, als Ersatz für die abgebrannten Scheune. Dazu wurden 80 Kubikmeter Bauholz gebraucht.

 

11. November 1921: Bei starker Kälte und starkem Schneetreiben aber trotzdem unter bemerkenswerten Zulauf wurde heuer Martini gefeiert. Dekan Josef Heigl, Furth i. Wald, hielt die   Festpredigt zum Thema: Glaube, Hoffnung und Liebe des hl. Martin. Es war ein Hochamt und anschließend die Prozession, an der sich 25 Reiter beteiligten. Die nachmittägliche Vesper war von einem weiteren Priester assistiert. Bei Brunnerwirt war Konzert bis in den frühen Morgen durch die Rattenberger Blaskapelle, in Oberndorf durch die Rundinger Kapelle, beim Bräu Vogl Ziehharmonika, ebenso beim Christl-Wirt – die ganze Nacht Singen und Gegröle!

 

15. November 1921: „Heute habe ich an Kyrein -  Unterbiberg – eine Holzstatue, 65  Zentimeter hoch, darstellend eine Altöttinger Muttergottes und ein Tafelbild mit Rahmen, darstellend das Antlitz des Herrn, per Bahn abgeschickt. Kyrein hatte sich die Stücke aus der Mariahilf-Kapelle als Gegengabe für die die unentgeltliche Übertragung der Eigentumsrechte erbeten. Für den Hochaltar ist der neu gefasste Tabernakel eingetroffen. Die Arbeit führte Maler Stoiber aus Kötzting aus.

 

Volksmission vom 27. November bis 4. Dezember 1921. Diese Volksmission war die erste, die in Miltach gehalten worden ist. Es kann sich wenigstens niemand einer solchen erinnern. Um 3.29 Uhr kamen die ersten zwei Missionäre mit dem Zug aus Richtung Straubing: Pater Dionys Habersbauer, zur Zeit Guardian in Eichstädt und Pater Nicilaus Körbel vom Kapuzinerkloster Rosenheim. Der dritte Pater, Walter Emmert, Superior in Mainburg kam erst am Montag. Alle drei wurden im Expositurhaus untergebracht. 

 

Am Sonntag zogen die Missionäre unter Begleitung der Kirchenverwaltung und einigen weiß gekleideten Mädchen bei Glockenläuten in die Kirche ein. Unter der Kirchenpforte sprach das Schulkind Rosina Wieser ein Gedicht. Am Altar erfolgte  dann die Stolaübergabe an den Superior der Mission, Pater Habersbrunner, der anschließend die Einladungspredigt hielt: „Selig wer an diesem Mahle (Mission) teilnehmen darf. Der Besuch der Missionspredigten nahmen mit der fortschreitenden Woche immer mehr zu. Bei den Standeslehren der Frauen und Jungfrauen waren alle Bänke besetzt. Bei den Standeslehren der Männer waren an der Frauenseite (linke Seite im Kirchenschiff) noch 7 Bänke und bei der Burschenpredigt noch 9 besetzt. Beichtgelegenheiten gab es in den zwei Schulhäusern. Das Heizmaterial wurde von der Gemeinde unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

 

Die Predigten waren sehr volkstümlich und allgemein verständlich. In der Schlussveranstaltung war die Kirche besetzt wie noch nie, ein fürchterliches Gedränge. Anschließend fand eine Prozession durch das Dorf statt. Die Leute äußerten sich allgemein hochbefriedigt über den Verlauf der Mission. „Es war schön, wirklich schön“ – so konnte man hören. Kein Misston störte die Mission. Männer kamen zu den Predigten, die man schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gesehen hat und zur Kommunionbank.

 

Abschließend stellte Pfarrer Holzgartner fest: „Ich hoffe zu Gott, dass die Mission kein Schlag ins Wasser war“. In einer Liste stellte er die Naturalien zusammen, die die Expositurangehörigen zur Verköstigung der Patres brachten, darunter zum Beispiel: 6 Pfund Schweinefleisch, 31 Pfund Mehl, 9 Pfund Butter, 84 Eier, 4 Laib Brot, 2 Pakete Kaffee, 3 Pfund Hechte und 2 Pfund Brachse. Allein Pater Nicolaus blieb in Miltach und half mir am Festtag „Maria Empfängnis“ den „Katholischen Mütterverein“ zu gründen.

 

Am 18. November 1921, überschlug sich das Personenauto des 51 jährigen Porzellanfabrikbesitzers Heinrich Seltmann aus Weiden. Der Unfall ereignete sich zwischen Eismannsberg und Voggenzell, wo das Fahrzeug auf einer Eisplatte ins Schleudern kam. Der Fabrikant kam dabei unter das Auto und wurde dabei schwer verletzt. Der Bruder und der Chauffeur kamen unverletzt davon. In Voggenzell wurde der Sterbende in zwei Häusern zurückgewiesen. Abends wurde er im Seelenhaus Miltach aufgebahrt. Sie wollten nach Teisnach fahren. Am 19. November wurde H. Seltmann nach Weiden überführt“.

 

Kirche Miltach Alt

Das erlebte Miltachs Expositus

Im Advent 1916 begab sich Kooperator Karl Holzgartner zum ersten Mal in seinem Priesterdasein in Miltach auf Flachskollektur. Wie es ihm dabei ergangen ist, geht aus seinen handschriftlichen Aufzeichnungen hervor.

 

Mitten in der Zeit des 1. Weltkrieges kam der Priester Karl Holzgartner nach Miltach und trat die Stelle als Expositus an. In seinen handschriftlichen Aufzeichnungen schreibt er dazu: "Am Freitag, den 16. Juni 1916, bin ich mit dem Zug um 2 Uhr in Miltach eingetroffen. Mit dem gleichen Zug fuhr der bisherige Expositus Wendl zu seiner übertragenen Pfarrei Rattenberg. Die Schulkinder, die ihn zum Bahnhof begleitet hatten, begleiteten mich, nachdem einige von ihnen Verse gesprochen hatten, ins Dorf und zur Kirche, wo eine kurze Andacht stattfand. Finanzielle Schwierigkeiten, hervorgerufen durch Unterhaltung einer Kooperatur in diesen teuren Kriegszeiten in der Nähe der Stadt Amberg, hatten mich veranlasst, meinen bisherigen Posten Kümmersbruck aufzugeben." Soweit Erinnerungen des neuen Seelsorgers in Miltach.

 

Flochskollektur Miltach
Die Flachskollektur

Da die Gehälter der Kooperatoren einst so gering waren, dass sie davon kaum standesgemäß leben konnten, waren die Bauern zu zusätzlichen Naturalleistungen bereit, meist Flachs oder Weizen. Das Geschäft des Einsammelns war mühsam. Meist suchte sich der Kaplan einen Helfer, der ihm bei seinem Marsch von Hof zu Hof die gesammelten Waren trug. Dieser Weg durch die Pfarrei zur Adventszeit galt für den Geistlichen als obligatorischer Hausbesuch. Am Sonntag wurde dies von der Kanzel aus angekündigt.

 

In seinen Erinnerungen schreibt Holzgartner ungeschönt, wie es ihm dabei an den drei Tagen an seinem neuen Wirkungsort erging. "11. Dezember 1916 - Schon seit meinem Hiersein hatte ich immer mit einem Gefühl des Unbehagens an die Flachskollektur gedacht, die ich hier vorzunehmen hatte. War ich doch bereits volle 13 Jahre in der Seelsorge - und hatte noch auf keinem Posten derartiges auszuführen. Ich wollte mich aber doch dieser Besuche nicht entziehen und so zog ich meine Erkundungen ein, da ich von keinem meiner Vorgänger diesbezüglich Notizen vorfand, und traf meine Vorbereitungen.

 

Bilder, Ringe, Rosenkränze

Von Hörmann in Neukirchen b. Hl. Blut bezog ich 1.400 Stück Bildchen um 11 Mark 75 Pfennige und einige Dutzend Ringe um 12 Mark. Die sog. Josefsringe aus Messing waren nicht mehr erhältlich, wegen Beschlagnahme dieses Metalls. Da die herkömmliche Kollekturzeit der Advent ist, die Zeit um Maria Empfängnis - wobei wohl der Nachdruck auf angefangenen liegt - so setzte ich mit dem langjährigen Träger Johann Nagl die zweite Adventswoche nach Sonntag, den 10. Dezember, fest und verkündete es in der Kirche.

 

Am Montag nach dem Engelamt begannen wir, mit Bildern, Ringlein und Rosenkränzen wohl versehen, die Wanderung, wobei mich ein ganz ungewohntes Gefühl der Verlegenheit beschleichen wollte. Der Weg ging auf die Berge zu für den ersten Tag. Die Witterung war günstig: leicht gefroren und wenig Schnee. Auf dem Weg erzählte mir Nagl, daß sein Vater 36 Jahre lang mit den Cooperatoren und Expositi Kollektionen gegangen sei. Seit 1886 geht er mit, also heute zum 30. Mal. Bis vor 20 Jahren bekam der Geistliche noch Flachs. Derselbe wurde erstmals beim Wirholm (Weber) Anzenberg eingestellt. Das ganze Ergebnis der Flachskollektur belief sich auf 1½ Zentner, à 40 Mark.

 

In Baibach gestartet

Der Bezirk der Flachskollektur umfasst jetzt die ganze Expositur - weiter von der Pfarrei Chamerau die Einöde Kolmitz, deren Bewohner meistens in Miltach die Kirche besuchen - von der Pfarrei Moosbach die Orte: Riedhof, Eismannsberg, Eben und Untervierau. Umgekehrt gehen aber dem Expositus von Miltach 2 Kollegen ins "Gäu": der H. Cooperator von Moosbach kollektiert in Heitzelsberg und der Cooperator von Blaibach kollektiert in Höhenried, Anzenberg und Heitzelsberg und zwar der letztere wegen der Wallfahrt in Weißenregen. Früher kam auch noch der Kooperator von Prackenbach nach Heitzelsberg, weil früher die Leute nach Krailing, eine Filiale von Prackenbach, in die Kirche gingen.

 

Viel Leid durch den Krieg

So begannen wir denn in Baibach bei der Mühle und gingen dann den Berg hinauf zum Eckl-Lippert und nach Höhenried. Die Aufnahme war überall freundlich und so stieg mein Mut. Als wir gegen Anzenberg marschierten, begann es zu regnen und zu schneien. In Anzenberg besuchte ich kurz den alten Haller (Bergbauer), der im Sterben lag.

 

Nach Heitzelsberg kamen wir gegen ½ 12 Uhr, bestellten bei der Wirtsmutter das Essen und gingen dann noch nach dem abgelegenen Auwies. Das Essen war für die Kriegszeit ausgezeichnet. Suppe mit Ei und Semmelschnitten, Schaffleisch (sehr weich) mit Kartoffelsalat, Schweinebraten mit Kraut u. dazu 2 Halbe Bier - alles umsonst - anstatt einer Gabe. Dann ging es nach Rabenhof, Dietershof, Eismannsberg, Eben, Riedhof u. Untervierau: in allen Häusern viel Jammer wegen des Krieges: Hier Arbeitskräftemangel, dort ein Sohn gefallen, hier der Vater vermisst, der Bruder in Gefangenschaft und so fort und überall die Frage: "Herr Expositus, wie lange wird der Krieg noch dauern? Meinens nöt, daß vor Weihnachten noch Frieden wird?" Das Ergebnis in der Moosbacher Pfarrei war ziemlich erträglich.

 

Handwerk und Handarbeit

Interessant war es auch zu beobachten, wie die Leute sich jetzt beschäftigen: Holzschuhmachen, Besenbinden, Kirmzäunen; die Frauen beschäftigen sich jetzt wieder am Spinnrad, das sie aus der Rumpelkammer hervorgeholt haben. Ich traf ziemlich viele Spinnerinnen. Die Leinwand ist jetzt kostbar: der Zentner (50 kg) vollkommen hergerichteter Flachs soll mit 185 Mark bezahlt werden. Die meisten sagten aber, sie wollen ihn selbst behalten, da das Gekaufte teuer und schlecht ist, teilweise überhaupt nicht mehr zu bekommen. Auf die Spuren der Lebensmittelnot stießen wir auch in einem Hause, wo kurz zuvor die Behörden eine Haussuchung vornehmen hatten lassen. Das Anwesen besaß 4 Kühe und lieferte keine Butter ab. Es gaben aber 3 Tiere keine Milch - ja unsere Beamten!

 

Der zweite Tag führte uns nach Berghäusl, Kolmitz, Flammried, Oberndorf, wo wir beim Wirt Schluss machten. Wege schmutzig, Wetter gut.

Der Mittwoch war für Miltach bestimmt. Es regnete unaufhörlich und zwar ausgiebig. Die vielen Häuslein machten hier die Kollektur anstrengend. Nachmittags stiegen wir zur Hütten hinan und Schluss machten wir in der Bahnhofswirtschaft. Meinem Träger gab ich 8 Mark als Lohn und hielt ihn zechfrei. Er sagte, das sei seine herkömmliche Entlohnung gewesen, 7-9 Mark. Manche Expositi hätten ihm auch das Essen gegeben.

 

Kulturhistorisch interessant

13. Dezember 1916 - Jetzt, nachdem die Prozedur vorbei ist, kommt sie mir nicht mehr so schrecklich vor. Die Leute waren durchaus freundlich - sie finden es ganz selbstverständlich - besonders zeigten die Kinder großen Eifer auf die Ringlein u. Bildchen. Jedes bekam 2 Ringlein. Rosenkränze verteilte ich nicht nur dort, wo man mir 3 oder mehr Mark schenkte. Ich habe Vorstehendes zur Orientierung für einen Herrn Nachfolger geschrieben und auch deswegen, weil das Ganze wohl ein kulturhistorisches Interesse bietet. Ich habe so auf schnelle Weise meine Expositurangehörigen kennengelernt u. gesehen, dass die Leute von ihrem Seelsorger ein ungeheucheltes Interesse haben, besonders auf den Bergen; Ausnahmen gibt es ja wohl. Auf jeden Fall ist das Interesse größer als in der Expositur Kümmersbruck, wo die meisten Gutgesinnten nach Amberg in die Kirche gehen - nur Sozi und Indifferenten (Gleichgültige) gehen nirgends hin."

 

Text u. Bilder: Erwin Vogl und Pfarrgemeinde "St. Martin", Miltach