Die alte Pfarrkirche wird abgerissen

 
Vor 50 Jahren:

Die Pfarrei Miltach baute sich ein neues, heiliges Haus

Marode Bausubstanz und fehlendes Platzangebot begründeten die Erweiterung

Von Erwin Vogl

 

In der Pfarrei wird in den kommenden Monaten die Kirchenerweiterung vor 50 Jahren ein erinnerungswürdiges Thema sein. Am 20. Dezember 1975 konnte Pfarrer Georg Samhuber nach dem Umbau darin erstmals wieder die heilige Messe zelebrieren. Zu Beginn des Samstagabend-Gottesdienstes weihte der Ortsgeistliche in einfacher Form den Volksaltar. Trotz der vorhandenen rund 300 Sitzplätze und zusätzlich aufgestellten Stühle fanden von den etwa 400 mitfeiernden Pfarrangehörigen nicht alle einen Sitzplatz. Zu diesem Zeitpunkt war der Chorraum noch durch eine provisorische Bretterwand verdeckt, als Orgel kam noch das Instrument aus dem Jahr 1866 zum Einsatz. Wie sehr die Erweiterung notwendig war zeigt zum Beispiel die Zahl von insgesamt 725 Gläubigen bei den drei Gottesdienstes am Samstag und Sonntag im Jahr 1981.  

 

Der Wunsch nach einer Kirchenerweiterung geht weit zurück, denn am 11. April 1920 gab es zur Umsetzung dieses Planes eine Generalversammlung des „Kirchenbauvereins St. Martin“, zu der Expositus Karl Holzgartner vermerkt: „Sie fand beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, denn es fanden sich nur 25 Personen ein“. Über Ziele und spätere Ergebnisse des Vereins gibt es keine Erkenntnisse. Möglicherweise hatte der Verein aber auch nur die Aufgabe der bevorstehenden umfangreichen Kirchenrestaurierung zu fördern und zu unterstützen, die dann nachweislich am 6. Juni 1921 begann und die sich bis April 1923 hinzog.

 

Chamer Gruppe war dagegen

Im Vorfeld der jahrelangen Bemühungen zum Erweiterungsbau oder Neubau an einer anderen Stelle kam es Anfang 1972 erneut zur Gründung eines Kirchenbauvereins. Bei den Diskussionen zum beabsichtigten Projekt kristallisierte sich bald heraus, dass nur eine Erweiterung in Frage kommen konnte. Gegen den Neubau einer Kirche an einer anderer Stelle sprachen in der Hauptsache drei Argumente: 1. Die Bevölkerung wollte ihre Kirche im gewachsenen Dorfkern als baulichen und geistlichen Mittelpunkt erhalten. 2. Für einen Neubau stand kein geeignetes Grundstück zur Verfügung, das den finanziellen Möglichkeiten der Pfarrgemeinde und den notwendigen städtebaulichen Anforderungen entsprach. 3. Man sah sich wirtschaftliche nicht in der Lage, zwei Kirchen zu unterhalten, wovon eine ja überhaupt nicht gebracht würde. Wäre das alte Gotteshaus einmal ihrer Funktion beraubt, wäre sie gewiss auf längere Zeit gesehen, dem Verfall preisgegeben.

Alte Kirche Miltach

Der bauliche Zustand, insbesondere  der des Kirchenschiffes und der Holzdecke, war sehr marode und instabil. Die Wände aus Naturstein wiesen tiefe Risse auf und waren wegen der fehlenden Abdichtung zum Fundament hin feucht. Der Bauplan sah den Abbruch des Langhauses bis zum Chorbogen vor. Entworfen und geplant hat den Erweiterungsbau Professor Karl Habermann aus Buchendorf bei Gauting. Die Bauleitung übernahm Dipl. Ing. Hans Egon Wörlen aus Passau.

 

Ehemals befand sich der örtliche Friedhof in unmittelbarer Nachbarschaft  der Kirche. Bestattet wurde hier allerdings seit 1950 nach behördlicher Anordnung nicht mehr. In einem Zeitungsartikel vom Oktober 1965 findet sich der dringliche Aufruf, im aufgelassenen Friedhof doch die letzten Grabsteine zu entfernen.  Damit das Grundstück für die beabsichtigte Erweiterung die notwendige Fläche aufwies, erwarb die Kirchenverwaltung das Nemmerhaus  mit Nebengebäude und Scheune. Das Haus wurde am 18. und 20. August 1973  durch Mithilfe von fleißigen Pfarrangehörigen niedergerissen.

 

Denkmalamt zog Zusage zurück

Anfang des Jahres 1973 schien alles „in trockenen Tüchern“. Die Kirchenverwaltung besichtigte Kirchenneubauten in Windorf und Grafling und war überzeugt, dass es schon im Frühjahr losgehen könnte. Das von Architekt Professor Habermann vorgestellte Modell war mit dem Landesamt für Denkmalschutz abgesprochen und gefiel auch den Zuständigen in Miltach. Nach einer Zeitungsmeldung vom 24. Mai 1973 trafen sich die Verantwortlichen der Pfarrei um das weitere Vorgehen zu besprechen. Dabei berichtete Architekt Professor Habermann von seinen Gesprächen mit dem Amt für Denkmalspflege. Nach dessen Vorstellungen sollten die bestehenden Gebäude nun doch erhalten bleiben, ein Anbau sei nicht zweckmäßig , da dadurch nur wenig Raum zu gewinnen sei. Habermann zeigte sich trotzdem zuversichtlich, da die Regierung und das Ordinariat dem Kirchenanbau positiv gegenüber standen.

 

Als negativ für die Verwirklichung des Planes wirkten sich auch die „Störmanöver“ der Aktionsgruppe „Rettet Stadt und Landschaft“ aus Cham aus. Als deren Anführer führte der damalige Kreisheimatpfleger Willi Straßer in einem Zeitungsbeitrag an: „Die Miltacher Kirche soll erweitert werden, das heißt, das Kirchenschiff fällt der Spitzhacke zum Opfer und ein moderner Neubau tritt an seine Stelle. Was hilft es schon, wenn der Figurenschmuck, die Altäre und anderes Inventar der alten Kirche im Neubau wieder Platz fänden. Sie wären dort nur Fremdkörper, und wenn man schon am Modernisieren ist, könnte man vielleicht auch darauf verzichten wollen die historischen Stücke im Neubau zu integrieren. Das Dorf würde um ein Kunstdenkmal ärmer und verlöre seinen historischen Mittelpunkt“. Soweit die kritischen Anmerkungen aus Cham . Ein weiterer Gegner der beabsichtigten Maßnahme  fand sich in Schlossbesitzer Dr. Edwin Oertel, München, der in einem Schreiben mitteilte: „dass die Grabstelle seiner Familie überbaut würde und der Abriss weder einer Notwendigkeit entspricht noch irgendwie gerechtfertigt werden kann“. Dieser Einwand konnte in Miltach überhaupt nicht verstanden werden, da der Grabstein zwar als letzter noch an der Kirchenaußenwand stand, die Grabstelle allerdings verwildert und ungepflegt war. Bürgermeister Helmut Röll, der Vorsitzende des Kirchenbauvereins, konterte zu diesen Widerständen: „Die Leute, die da meinen, uns belehren zu müssen, sollen doch erst einmal zu mir kommen und sich genau informieren. Wir haben keine andere Wahl, wir müssen einen Teil der Kirche abbrechen. Es wäre uns auch lieber, wenn der Kirchenbau nicht ins Haus stünde“.

 

Kirche Miltach
Grünes Licht für Erweiterung

Auch Pfarrer Georg Samhuber trat all diesen Protesten energisch entgegen indem er sagt: „Es gibt keine andere Lösung. Die Pfarrei zählt 1300 Seelen und in der Kirche gibt es nur 250 Sitzplätze in völlig unzureichenden Kirchenbänken.

Ich habe die Kirche bereits einmal renovieren lassen, ein zweites Mal lohnt sich das nicht mehr. Außerdem haben wir keinen anderen Platz für einen Neubau. Mir wäre es lieber, ich müsste mich mit der Sache nicht mehr beschäftigen“.

Der Ortspfarrer war zu dieser Zeit schon 65 Jahre alt und etwas kränklich. Am 15. Oktober 1973 kam es dann zur endgültigen Entscheidung durch alle zuständigen Stellen: die Kirche wird nach den Wünschen der Pfarrangehörigen erweitert.

 

Der romanische Turm und der gotische Chorraum bleiben in ihrer Substanz erhalten, das Langhaus und die Sakristei werden abgetragen. Die Bischöfliche Finanzkammer hat im Januar 1973 vorab einen Zuschuss von 900 000 Mark gewährt. Miltach hatte möglicherweise den Vorteil, dass Finanzdirektor Hägelsberger ein Kurskollege von Pfarrer Samhuber war. Bei einem überschlägigen Voranschlag werden für das Unternehmen 2,2 Millionen Mark gerechnet.  

Abbruch am Josefitag

Mit dem 19. März 1974 begannen endlich die Arbeiten zum Kirchenneubau. An diesem Tag stand die Baufirma Gemoll aus Cham mit schwerem Gerät am Kirchplatz bereit um das Jahrhundertwerk zu beginnen. Zunächst beseitigten die Handwerker die auf Säulen stehende Vorhalle, im zweiten Schritt trennten sie den Dachstuhl zwischen Langhaus und dem Chorraum, der ja erhalten bleiben sollte. Kurz vor dem Zwölfuhrläuten zog eine Planierraupe  mit einem Stahlseil die obere Giebelwand zusammen dem Dachstuhl in Richtung Brunner. Mit lautem Getöse und in einer mächtigen Staubwolke stürzte alles zusammen. Am Nachmittag bearbeitete die Planierraupe von den Ecken her das Mauerwerk um den Rest  einzureißen.

Alte Kirche

Bis zum Ende der Woche waren sämtliche  Mauerreste nach Kötzting weggeschafft worden, das Material aus dem Dachstuhl erhielten Miltacher Bürger. Die mächtigen Tragbalken über dem Kirchenschiff waren aus gesundem Eichenholz. Beim Ausheben der Fundamente stieß der Bagger in einer Tiefe von 70 bis 100 Zentimetern auf das Holz  von Särgen. Dabei kamen auch größere Knochenteile und Stoffreste zum Vorschein. Es war bekannt, dass das Gelände im Bereich des Friedhofes sehr feucht war und sich die Verrottung lange hinauszögerte.

 

Bilder von der alten Expositurkirche (von Erwin Vogl und Christian Röhrl)

 

Alte Kirche Miltach 3

Außenansicht von der Südost-Seite

 

Alte Kirche Miltach 2

Ansicht von der Südwest-Seite

   

Alte Kirche Miltach 4

Ein Blick in die frühere Expositurkirche

 

Alte Kirche Miltach 5

Sogar eine Empore war vorhanden

   

Alte Kirche Miltach 6

Weitere Einblicke in die frühere Expositurkirche

 

Alte Kirche Miltach 7

Der Hochaltar aus der Expositurkirche steht heute noch

 

Alte Kirche Miltach 1

Blick zur Ortskirche von der Höhenrieder Straße aus

 

Pfarrkirche St. Martin

Und so zeigt sich die Pfarrkirche von Miltach heute