Ein Blick in die Geschichte des Martiniritt in Miltach

Kann, soll und darf der Martiniritt verlegt werden?

Diese wesentlichen Fragen bestimmten damals die örtlichen Diskussionen

 

Noch gab es 1950 genügend Pferde in und um Miltach. Die große Motorisierung bestand noch nicht. So konnte der herkömmliche Martiniritt mit einer ausreichenden Zahl von Pferden durchgeführt werden. 1950 waren es 57 Rösser und 1955 sogar 73. Dies war bis dahin der Höchststand nach dem Zweiten Weltkrieg. Genau ab diesem Zeitpunkt setzte ein konstanter Rückgang ein. 1965 waren es nur noch 21 Reiter. Diese Entwicklung sahen die Verantwortlichen aus Pfarrei und Gemeinde mit Sorge und wollten auf diese negative Entwicklung reagieren. Eine Veränderung dieser unguten Situation könnte ihrer Ansicht nach nur die Verlegung der Veranstaltung vom 11. November auf einen Sonntag bewirken.

 

Allerdings leisteten „Traditionalisten“ heftigen Widerstand gegen die beabsichtigte Neuerung. Wie sehr dieses Thema die Bevölkerung beschäftigte zeigt ein Zeitungsartikel vom 22. Oktober 1965, den Karl B. Krämer als Kreisheimatpfleger veröffentlichte. In diesem Bericht aus dem Jahr 1965 wird immer von einer Verlegung auf den folgenden Sonntag gesprochen. Die Miltacher einigten sich dann drei Jahre später dahingehend, dass der „Kirta“ an einen Samstag gefeiert wird. Seit nunmehr genau 50 Jahren wird es auch so gehalten. Im folgenden Beitrag, in etwas gekürzter Form, beschreibt Krämer ausführlich das Für und Wider.

 

„Kann, soll und darf der traditionelle Martiniritt in Miltach vom 11. November auf den darauffolgenden Sonntag verlegt werden? Mit dieser entscheidenden und überaus bedeutungsvollen Frage wird sich die Pfarrgemeinde Miltach in einer Bürgerversammlung am Sonntag nach dem Hauptgottesdienst befassen. Wie berichtet, haben sich inzwischen zwei Gruppen    Martiniritt Miltach

gebildet, die eine Verlegung des Martinirittes vom herkömmlichen Kirchweihtag und Patroziniumsfest, dem 11. November, auf den darauffolgenden Sonntag unterschiedlich beurteilen.

 

Ohne Zweifel zählt der Miltacher Martiniritt zu jenen Umrittbräuchen, die in den Bayerischen Landen noch ihre besondere Bedeutung und Beachtung haben.  Der Martiniritt in Miltach gehört daher zu den letzten Zeugnissen altbayerischen Umrittbrauchtums. Erfreulicherweise haben ihm Pfarrei und Gemeinde in den letzten Jahren auch die entsprechende Würdigung zukommen lassen. Die Frage nach einer Verlegung des Martinirittes vom herkömmlichen 11. November auf den darauffolgenden Sonntag mag an und für sich „heikel“ erscheinen, im Grunde genommen erweist sie sich einfacher, als man annehmen möchte.

 

Martiniritt Miltach    Auch der Martiniritt in Miltach ist aus der Sicht der Sitte und des Brauchtums zu sehen. Kreisheimatpfleger Karl B. Krämer vertritt die Auffassung, dass eine terminformelle Veränderung der Sitte des Miltacher Martinirittes keine Beeinträchtigung bringt, indessen der Brauch der einem ständigen Zeitenwandel unterworfen ist, ohne weiteres einer ihm günstigen Erneuerung zugeführt werden kann.

 

Dem Kreisheimatpfleger erscheint es zwar als erfreulich, dass es in Miltach nicht wenige Pfarrangehörige und Gemeindebürger gibt, die unbedingt an den althergebrachten Tag, nämlich dem Namenstag des hl. Martinus, festhalten wollen. Ihre Einstellung ist zu akzeptieren, zeigt sich doch damit der starke Hang, das von den Vorvätern überlieferte Brauchtum auch in seinen äußeren Formen zu erhalten. Die Anhänger des „Traditionalismus“ vertreten zudem die Auffassung, dass selbst bei einer Verlegung auf den Sonntag nicht mit einer größeren Zahl von Teilnehmern an der Martini-Flurprozession zu rechnen sei und sich höchstens die Zuschauermenge und die Zaungäste vermehren würden. Gelten kann jedoch nur der Gedanke, dass der Martiniritt als Tag des Flurumrittes und der Flurprozession unangetastet bleiben soll.

 

Ohne Zweifel ist auch nicht von der Hand zu weisen, was die „Reformgruppe“ an Argumenten für eine Verlegung des Martinirittes vom 11. November auf den darauffolgenden Sonntag vorzubringen hat.  In der Tat hat sich die rein bäuerliche Struktur des „alten Miltach“ verändert. Ein nicht unerheblicher Teil der Gemeindebürger und Pfarrangehörigen ist als Fernpendler auswärts beschäftigt. Sie sind damit von ihrem Heimatfest ausgeschlossen. In Anbetracht des sich veränderten Alltagslebens wird es heute immer mehr ausgeschlossen, dass sich der in Arbeit stehende Teil der Bevölkerung zu einer echten Teilnahme an dem werktäglichen Martinifest in Miltach entschließen kann. Ohne Zweifel hat Pfarrer Samhuber recht, wenn er meint, für ihn sei die Lösung die beste, die die meisten Kirchenbesucher und Prozessionsteilnehmer brächte.

 

Brauchtumskenner äußern keine Bedenken gegen eine Verlegung des Martinirittes; im Gegenteil, sie betrachten eine derartige Maßnahme als förderlich, weil der halboffizielle Feiertag zu einem echten Feiertag erhoben werden kann. Auch im Sinne der Brauchtumspflege und Brauchtumserneuerung ist einer Verlegung des Martinirittes auf den Sonntag das Wort zu reden. An alten Brauchtumsformen zu hängen, ist sicher ein Zeichen der Bereitschaft, dieses alte Brauchtum zu wahren. Das Brauchtum aber stürbe aus, würde es nur „konserviert“ werden. Eine Verlegung auf den Sonntag sichert nach Auffassung des Kreisheimatpflegers und anderer Volkstumskenner in besonderer Weise, dass der Miltacher Martiniritt als „gebräuchlicher“ Brauch erhalten bleibt. Der Ehrerweisung des Martinifestes kommt damit in keiner Weise einer Minderung zu. Die Pfarrei und Gemeinde Miltach kann sich jedoch in besonderer Weise auf ihren Festtag konzentrieren. Ob mehr Beter an der Prozession teilnehmen werden, mag dahingestellt sein. Jedenfalls erscheint es auch in seelsorgerischer Hinsicht als zweckmäßig, dass mit der Verlegung auf den Sonntag einer größeren Zahl von Pfarrangehörigen dazu die Gelegenheit gegeben werden muss“.  

 

Text u. Bilder: Erwin Vogl, Miltach

weiteres Bild: Christian Röhrl, Miltach

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Veröffentlichung

Fr, 09. November 2018

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