Der Miltacher Martiniritt und seine Geschichte

Martiniritt vor 100 Jahren:

Die Miltacher halten an der überlieferten Tradition fest

In der Beschreibung aus dem Jahr 1913 sind  einige Veränderungen bemerkbar

 

Zum heutigen Patroziniumsfest der Pfarrei Miltach mit Martiniritt ist eine Schilderung des Martiniritts aus dem Jahr 1913 äußerst interessant zu lesen. Der Artikel ist in der Zeitschrift „Der Heimgarten“ erschienen und kann womöglich als erster Literaturhinweis auf das örtliche Fest gesehen werden. Mit einem Abstand eines Jahrhunderts ist es amüsant nachzulesen und zu vergleichen, wie sich der Ritt verändert und entwickelt hat. Vom Verfasser des Textes sind nur die Anfangsbuchstaben R. S. bekannt.

 

 „Der Traunsteiner Georgi-, der Kötztinger Pfingstritt, um nur ein paar der bekanntesten Rossprozessionen zu nennen, sind schon so sehr zu Schaustellungen von Ruf geworden, dass mancher Besucher sich die Frage vorlegt, was an solchen längst auch geschäftlich nutzbar gemachten Veranstaltungen echt volkstümlich, wie viel dagegen in Anpassung an die Erwartungen und den Zeitgeschmacks des Publikums allmählich hinzugefügt oder auch vom ursprünglichen Bestande weggelassen sein mag. Es ist daher ganz gut, dass sich abseits von solchen Paradestücken Ritte kleineren Stiles, wie die Martiniritte am 11. November, erhalten haben, die auch ohne Festprogramm und Festordner ihren ordnungsmäßigen Verlauf nehmen, da jeder Teilnehmer von den Vätern her weiß, was er zu tun und zu lassen hat.

 

So wenigstens ist es in Miltach im oberen Bayerischen Walde, wo man alljährlich am 11. November das Kirchenpatrozinium festlich begeht, nicht nur, indem das auch anderwärts übliche Ortskirchweihprogramm sich abwickeln lässt, sondern mit einer besonderen, dem heiligen Rittersmann Martinus zugedachten Ehrung, dem sogenannten Martiniritt. Sachlich stimmt die Bezeichnung freilich nicht ganz, insofern es sich nicht um eine ausschließlich berittene Prozession handelt, sondern um eine gemischte, aus Fußgängern und zum kleineren Teile aus Reitern bestehende. Zum Heiligen betet man, dem Ritter zu Ehren tut man einen Ritt auf festlich geschmücktem Rosse. Mag auch der Heilige erwarten, dass alle Teilnehmer beten, der Ritter wird wohl dafür Verständnis haben, dass sein berittenes Gefolge sich im Reiten Genüge tut und das Beten dem armseligen Fußvolke überlässt.

 

Martiniritt Miltach 1990 1

Buben vom Trachtenverein tragen die Martinsfigur (1990)

  

Martiniritt Miltach 1990 2

Die Musikkapelle "Weissblau" führt die Fußprozession an (1990)

 

Unmittelbar an das Amt, den festtäglichen Hauptgottesdienst, schließt sich etwa um 10 Uhr der festliche Auszug. Der Weg, den die Prozession nimmt, beschreibt außerhalb des Dorfes, zwischen diesem und der an der Straße nach Kötzting stehenden Mariahilf einen  nicht zu großen Ring, der wenige Felder einschließt. Am östlich gelegenen Wegzuge steht, für jeden Teilnehmer sichtbar, auf freiem Felde ein einfacher, weißgedeckter Tisch, der als Feldaltar dient. Sobald ihn der Priester mit dem Sanktissimum erreicht hat, hält der ganze Zug an, jeder einzelne, wo er gerade steht, um das Johannes-Evangelium anzuhören und den Segen mit der Monstranz zu empfangen.

 

Es mag nicht leicht sein für den amtierenden Geistlichen wie für den Chor, mit Ausdauer zu singen, während einem der herbstliche Ostwind um die Ohren pfeift und die Töne vom Munde reißt. Das passt aber gar gut zusammen mit den flatternden Gewändern, Fahnen und Fähnchen, Rossschweifen und Mähnen, zerzausten Haaren und Weihrauchwölkchen, diesem Aufblitzen und Verschwinden von bunten Farbflecken. Nur die Blechmusik, die nach dem Segen das „Großer Gott, wir loben dich“ spielt, behauptet sich im Sturme. Der Zug setzt sich wieder in Bewegung, zurück zur Kirche. Das Vorrecht der Zugführung lag früher bei Schimmel und Knecht des Pfarrers zu Chamerau. Seit dieser beide abgeschafft hat, ist ein anderer berittener Kreuzträger dafür eingesprungen, der das schöne, altgeschnitzte Kruzifix führt.

 

Ihm folgen zu zweien etwa 60 weitere Reiter, deren erstes Paar die auf hohen Stangen flatternden roten Prozessionsfahnen tragen. Meist sind es junge Leute, auch ein paar Buben, die Hüte mit dem Rosmarinzweige auf dem Kopfe, die Reitgerte aus frisch geschnittenem Wacholder, dessen grünbenadelte Zweige am Griffe stehen geblieben sind, in der Hand oder im Stiefelschaft. Die meisten Pferde tragen in Mähne und Schweif eingeflochtene kleine Papierrosetten, rosa und blau; allerhand ungewöhnliches Sattel- und Zaumzeug taucht auf, sogar eine scharlachrote Generalsschabracke mit gestickten Königskronen und handbreiten Silberrändern.

 

Jetzt setzt sich die ganze Kavalkade in Trab, um rasch nach dem Friedhof zu gelangen, innerhalb dessen engeren Ummauerung die Kirche langsam umritten wird. Denn da in dem einzigen für Pferde passierbaren Zugange, dem Reste des Torturmes der mittelalterlichen Friedhofsbefestigung, Ein- und Ausreitende sich begegnen, dauert der Umritt geraume Zeit und man muss fertig sein, bis die Schulbuben, laut schreiend bzw. betend, nachkommen. Von diesen tragen die ersten vier das Namenstagskind, den heiligen Martin auf einem Schimmel reitend, wie er mit dem Schwerte seinen Mantel teilt zugunsten des am Boden liegenden Bettlers.

 

Gipsfiguren und ähnlicher Kitsch, wie er heutzutage bei derartigen Gelegenheiten oft genug sich breit macht, wagt sich hier nirgends an die Öffentlichkeit. In lobenswerter Beschränkung zeigt die Prozession vielmehr nur noch ein weiteres figürliches Werk, eine von Mädchen getragene spätgotische Madonna. In eindrucksvollen Linien umhüllt die geschnitzte Gewandung schwer und warm die himmlische Mutter. Dem nackten Kindlein, das sie trägt, haben sie heute ein blauweißes Mäntelchen umgehängt.

 

Martiniritt Miltach 1985 1

Feldaltar auf der Racklschusterwiese (1985)
 

Es folgen dann die Vereine mit  lebhaft flatternden Fahnen, die Feuerwehr mit blitzenden Helmen, der Kirchenchor, Laternenträger, dann der Himmel, zeitweilig gebläht wie ein Segel, dass die vier Träger ihn nur mit Mühe dirigieren können, und darunter der von auswärts beigezogene Aushilfspriester mit dem Sanktissimum, umgeben von rotröckigen Ministranten mit Rauchfass und Zubehör; die misera plebs der vereinslosen Männer und endlich Frauen, und ganz zum Schlusse zu Pferde der Ortsgeistliche in weißem Chorrock, begleitet von drei Jubiläumsreitern, die ihre durch mehr als fünfundzwanzigmalige Teilnahme  erworbenes Ehrenfähnlein mitführen.

 

Man zieht in die Kirche ein, wo der amtierende Geistliche den letzten Segen erteilt und das Te deum anstimmt. Heute schließt sich hieran noch ein allerletzter Schlussakt, demzuliebe der Ortsgeistliche sich überhaupt beritten gemacht hat, während er in gewöhnlichen Jahrgängen mit der Monstranz unterm Himmel schreitet, ohne einen Aushilfspriester heranzuziehen. Jetzt schwingt er sich auf dem kleinen Platze vor dem Friedhofstore nochmals in den Sattel und überreicht nach kurzer Ansprache dem Spitzenreiter, dem Kreuzträger, das ihm  für langjährige Teilnahme verliehene Ehrenfähnchen. Das war der Übergang zur nüchternen Alltäglichkeit. Alles geht nach Hause, die Dorfstraße sieht wieder aus wie sonst auch. Denn auf Häuserschmuck, auf Flaggen und Triumphbogen ist man hier noch nicht verfallen, die Straße schmückt sich selbst, auf der Sankt Martin einher zieht mit seinem Gefolge zu Fuß und zu Ross“. Soweit der etwas gekürzte Text aus dem Jahr 1913 von R. S., möglicherweise Rudolf Scheibenzuber.

 

Text u. Bilder: Monika u. Erwin Vogl, Miltach

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Fr, 13. November 2015

Bild zur Meldung

Weitere Meldungen

Mehr Meldungen finden Sie [hier] im Archiv.